Erst kürzlich gab eine Aktion der Supermarktkette Penny, deren Ziel es war, genau für diese Frage zu sensibilisieren1. Ausgewählte Produkte wurden in allen Filialen eine Woche lang teurer angeboten, da Umweltkosten eingepreist wurden. Diese werden manchmal auch als „wahre Preise“ bezeichnet. 

Doch was steckt hinter diesen zusätzlichen Kosten und worauf sollte mit dieser Kampagne aufmerksam gemacht werden? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Klima ist nicht alles

Wenn heute über Nachhaltigkeit gesprochen wird, dann geht es oft um eine Sache – das Klima. Unser Klima – das heißt die Gesamtheit aller Wetterereignisse an einem bestimmten Ort über einen bestimmten Zeitraum von meist mehreren Jahrzehnten – wird stark von Treibhausgasen beeinflusst. Insbesondere im unternehmerischen Klimaschutz geht es deshalb derzeit viel um das Einsparen von Treibhausgasen zugunsten des Klimas. Es werden Treibhausgasbilanzen erstellt, Reduktionsmaßnahmen entwickelt und immer wieder über das Für und Wider sogenannter Kompensationsprojekte diskutiert, die Treibhausgasemissionen ausgleichen sollen. Es ist positiv, dass dieses Thema derzeit viel Aufmerksamkeit erhält, denn Klimaschutz ist wichtig, man kann sogar sagen überlebenswichtig.

Nun kommt allerdings die Krux an der Sache: Schaut man sich nämlich Konzepte an, die Wege hin zu mehr Nachhaltigkeit beschreiben, dann wird schnell klar, dass das Klima nicht der einzige Bereich ist, in dem wir uns um mehr Nachhaltigkeit bemühen sollten. Nehmen wir die Sustainable Development Goals2, die Nachhaltigkeitsziele auf deren Erreichung sich alle UN-Mitgliedsstaaten geeinigt haben: Hier ist Ziel 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ nur eines von 16 weiteren Zielen. Auch die Theorie der planetaren Grenzen3 haben wir an anderer Stelle bereits besprochen. In diesem Konzept ist der Klimawandel bloß eines von neun Systemen, die durch menschliche Eingriffe übermäßig belastet werden. Es wird somit klar, dass Klima und Klimawandel nicht die einzigen Systeme sind, die durch unseren Lebens- und Wirtschaftsstil beeinflusst werden. Um weitere Systeme mit einzubeziehen, wurde das Konzept der sogenannten Umweltkosten entwickelt.

Wer etwas beschädigt, sollte für die Beseitigung der Schäden aufkommen

Diese Aussage klingt eigentlich erst einmal logisch und nach etwas, worauf man sich einigen könnte.  Das ist aber nicht immer so und schon gar nicht, wenn es um Schäden an unserer Umwelt geht. Und diese passieren ständig, da wir die Umwelt für unsere Zwecke nutzen, z.B. in Form von Rohstoffabbau, um diverse Produkte herzustellen, Bodennutzung um unsere Nahrung anbauen, aber auch als Deponie für unseren Müll, z.B.  Abgase in der Luft. Bei dem Konzept der Umweltkosten geht es nun darum, all diese Schäden, in monetäre Werte zu übersetzen. Die Idee ist am Ende ganz konkrete Kosten zu generieren, die durch umweltbedingte Gesundheitsschäden, Ernteausfälle, geschädigte Ökosysteme und vieles mehr entstehen. Diese Kosten fallen natürlich auch jetzt schon an. Getragen werden sie allerdings nicht von den Verursacher:innen, sondern von der Gesellschaft, also von uns allen. Man spricht deshalb auch von „externen Kosten“. Das Ziel des Ansatzes der Umweltkosten soll somit sein, diese Kosten zu internalisieren, sodass sie direkt von den Verursacher:innen getragen werden.

Ein Beispiel: Schadstoffe, die durch Verbrennungsmotoren in die Luft gelangen, können Asthma auslösen. Vereinfacht könnte man sagen, je mehr Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffantrieben, desto mehr Asthma-Erkrankungen. Das bedeutet zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem, die über höhere Krankenkassenbeiträge ausgeglichen werden (die Kosten sind externalisiert). Müsste der Autohersteller diese Kosten in seine betriebswirtschaftliche Kalkulation mit einbeziehen (Kosten internalisieren), wäre das umweltschädliche Auto herzustellen und zu verkaufen auf einmal gar nicht mehr so rentabel, die umweltfreundlichere Alternative vielleicht aber schon.

Das Schöne an dieser Idee ist, dass die Mechanismen der Marktwirtschaft genutzt werden. Es muss also kein neues Wirtschaftssystem her. Und es wird eine Sprache genutzt, die Menschen sowieso gerne sprechen: Die Sprache des Geldes. Schäden an der Umwelt werden in monetären Werten ausgedrückt. Ein manchmal schwierig zu greifender Sachverhalt, steht auf einmal in einer ganz konkreten, unmissverständlichen Zahl auf weißem Papier. Dann wird auch klar: Untätigkeit ist viel teurer als tätig zu werden. Aktuell jedoch ist das Verständnis noch ein ganz anderes: Umweltschutz ist teuer, deshalb tut man lieber erst einmal nichts und wartet ab.

Hier kommt der Haken

Der große Nachteil an dem Konzept der Umweltkosten, ist der, dass alle mitmachen müssten, damit es funktioniert. Denn die Kosten zu berechnen ist aufwendig und einige Produkte würden erst einmal teurer werden. Wenn also zunächst nur ein paar Unternehmen mitmachten, hätten diese vermutlich erst einmal einen großen Wettbewerbsnachteil. Das Umweltbundesamt (UBA)4 gibt beispielsweise Kostensätze für unterschiedlichste Schadenskategorien heraus, darunter auch Klimafolgeschäden. Dabei werden Schäden einbezogen, die heutigen Generationen entstehen, aber auch zukünftigen Generationen, des Wohls beider Generationen kommt das UBA auf einen Preis von 809 € pro Tonne CO2e. Das ist ein Vielfaches dessen, was aktuell für eine Tonne CO2e veranschlagt wird. In Deutschland zum Beispiel liegt der nationale CO2e-Preis5 pro Tonne.

Natürlich wäre es ein großer Gewinn für den Klimaschutz, wenn dieser wahre Preis für Treibhausgasemissionen gezahlt werden würde. Denn das wäre ein riesiger Motivator, ernsthaft Reduktionsmaßnahmen voranzutreiben. Doch die Frage ist: Wer kann diese Kosten überhaupt zahlen? Aus diesem Grund müssten politische Maßnahmen implementiert werden, die dafür sorgen, dass Umweltkosten Teil der Bilanzierung von Unternehmen werden, so selbstverständlich wie Material- und Arbeitskosten. Über den Preis pro Tonne müsste man vielleicht dennoch nachverhandeln. Das UBA gibt jedoch auch eine zweite Empfehlung, bei der das Wohl zukünftiger Generationen auch berücksichtigt wird, allerdings schwächer gewichtet. Mit dieser anderen Gewichtung kommt man dann auf einen Preis von 237 € pro Tonne6, was möglicherweise erstmal eher akzeptiert werden würde.

Wie sieht es mit der Umsetzung aus?

Von einer politischen Grundlage sind wir wie so oft ein gutes Stück entfernt, dennoch gibt es schon einige praktische Annäherungen an das Thema. Besonders ambitioniert ist das bereits erwähnte UBA, das sowohl eine Methodenkonvention zur Berechnung von Umweltkosten als auch Kostensätze für ausgewählte Schadenskategorien herausgibt. Außerdem berechnen UBA-Experten jährlich die Umweltkosten für ganz Deutschland in den Bereichen Straßenverkehr sowie Strom- und Wärmeerzeugung. Um Ihnen eine Größenordnung zu geben: Im Jahr 2021 lagen diese bei 241 Milliarden Euro. Neben den Klimafolgeschäden werden Kostensätze zu Luftschadstoffen, Strom- und Wärmeerzeugung, Personen- und Güterverkehr, Stickstoff und Phosphor, Baustoffe und Landwirtschaft herausgegeben. Teilweise sind die Berechnungen und die zugrunde liegenden Überlegungen sehr ausführlich und differenziert, wie die schon erwähnte Berücksichtigung der späteren Generationen bei den Klimaschäden. An anderen Stellen sind Berechnungen jedoch eher unvollständig. Das kann verschiedene Gründe haben. Oft ist die Forschung noch nicht so weit und es fehlen verlässliche Daten, wie z.B. bei Phosphoremissionen in der Luft. Ebenso ist das Auftreten von Schäden oftmals so komplex, dass sie kaum nachvollziehbar oder zuzuordnen sind, beispielsweise bei den Lieferketten einzelner Baustoffe. Andere Schadenskategorien werden überhaupt nicht berücksichtigt, u.a. der Abbau der Ozonschicht.

Was machen wir denn jetzt damit?

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, sind Sie vielleicht ähnlich verunsichert, genervt oder überfordert von dem Thema, denn: Es gibt viel zu tun und viel zu bedenken. Zur Erreichung der Klimaziele ist es noch ein ganz schönes Stück und es sieht nicht so aus, als würde es in Zukunft einfacher werden.

Und das sind sehr legitime Gedanken. Alle Umweltkosten zu berechnen ist kein einfaches Unterfangen und das Konzept ist stellenweise noch nicht ganz ausgereift. Zusätzlich gibt es einige Wenn und Abers und Vielleichts und Da-fehlen-uns-verlässliche-Daten. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Nachhaltigkeitsberatungen mit diesem Konzept noch nicht wirklich arbeiten7. Auch wir von Kosmogrün zählen dazu, aber berichten wollen wir über diese Idee trotzdem, denn eigentlich ist sie super! Und auch wenn das alles noch nicht so anwendbar in der Praxis ist, zeigt es doch einen ganz wichtigen Aspekt der Nachhaltigkeit, nämlich, dass es ein dynamisches Feld ist. Es mag sein, dass unser aktueller Umgang mit dem Thema und unsere Standpunkte noch nicht ganz ideal sind, aber das Gute ist: Dabei müssen wir ja auch nicht bleiben. Wir können uns weiterbewegen und die ganzheitliche Betrachtung von Umweltkosten ist eine mögliche Richtung. Ob es die richtige ist, wird die Zeit zeigen, aber erst einmal macht es doch Mut zu sehen, dass da Bewegung ist!

In diesem Sinne: Bleiben Sie offen, bleiben Sie neugierig und konsumieren Sie in dem Bewusstsein, dass menschliche Aktivitäten mehr anrichten, als „nur“ Treibhausgase in die Luft zu pusten.

Übrigens, erinnern Sie sich an die Penny-Aktion? Die Produkte, die inklusive Umweltkosten bepreist waren? Würstchen kosteten fast 3 Euro mehr, das vegane Schnitzel nur 14 Cent. Wir wollten es nur einmal gesagt haben 😉

Was kostet die Welt?
Bildquelle: Misereor - Wahre Kosten von Lebensmitteln

1Penny verlangt Preise mit Umweltkosten (2023), unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lebensmittel-verdeckte-kosten-umweltschutz-discounter-1.6079765, [Stand: 10.05.2023]

2 Sustainable Development Goals (2020), unter: https://kosmogruen.de/sustainable-development-goals/ [Stand: 10.05.2023]

3 Johan Rockström und unsere Planetaren Grenzen (2022), unter: https://kosmogruen.de/planetare-grenzen-klimawandel/ , [Stand: 10.05.2023]

4 Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen (2023), unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#gesamtwirtschaftliche-bedeutung-der-umweltkosten , [Stand: 10.05.2023]

5 Ermäßigter Steuersatz für Gas, weniger Stromkosten (2023), unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/entlastung-fuer-deutschland/entlastung-energieabgaben-2125006 , [Stand: 10.05.2023]

6 Die in der nächsten Generation (30 Jahre) auftretenden Schäden werden zu 74 %, die der übernächsten Generation (60 Jahre) zu 55 % berücksichtigt. Nachzulesen in Methodenkonvention 3.0 des Umweltbundesamtes, unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/methodenkonvention-30-zur-ermittlung-von-0 , [Stand: 10.05.2023]

7 Eine Ausnahme davon ist GREENZERO, bei Interesse: https://greenzero-ax.com/ , [Stand: 10.05.2023]

8 Bildquelle: Misereor, unter: https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen-misereor/wahre-kosten-von-lebensmitteln [Stand: 10.05.2023]

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